Mit großen Sonnenbrillen und kleinen Designerhandtaschen tippeln japanische Touristinnen über das Kopfsteinpflaster. Mit Baseballkappe auf dem Kopf und Knopf im Ohr schlurft eine Gruppe amerikanischer Senioren in unseren Biergarten. Zwei überaus vertraute Szenen, die in Zeiten der Pandemie der Vergangenheit angehören. Kurz vor den Festtagen blicken wir auf 20 ereignisreiche Monate, die wir uns so nie erträumt hätten.

22. März 2020. Mit Beschluss der Landesregierung befindet sich ganz Baden-Württemberg im Lockdown. Cafés und Restaurants, Hotels und Geschäfte, sie alle bleiben bis auf weiteres geschlossen. Auf den Gassen der Altstadt herrscht gespenstische Leere. Wo sich sonst Scharen von Fußgänger drängen, huschen vereinzelt Ortsansässige vorbei und grüßen einander aus sicherer Ferne. Auch in der Kulturbrauerei bleiben die Lichter aus. Das Team hat sich mit Lebensmittelvorräten versorgt und in die Kurzarbeit verabschiedet. Man bleibt in telefonischem Kontakt und hält sich per SMS über Neuigkeiten auf dem Laufenden. Gelegentlich sitzt man im engen Familienkreis im Biergarten in der Sonne und genießt ein Glas frisch gebrautes Bier aus einem der Keg-Fässer, die im Keller auf das Ende des Lockdowns warten. Schon ein sonderlich, dieser unfreiwillige Urlaub in der Heimat.

Rund sieben Wochen Stillstand vergehen, bis hinter den Kulissen wieder Hochbetrieb herrscht. Unter strengen Auflagen steht die Wiedereröffnung unmittelbar bevor. Hotelzimmer lüften, Zapfanlage in Betrieb nehmen, Biergarten und Terrasse auf Vordermann bringen und die Kühlhäuser neu bestücken – die To-Do-Liste ist lang. Werden die Gäste uns nach der Pause „die Bude einrennen“, oder eher zögerlich zurückkehren – wir wissen es nicht. Im Juni wird es warm unter den medizinischen Gesichtsmasken, die die gebastelten Stofflappen aus dem Frühjahr ersetzen. Die Sitzordnung im Biergarten ist eine neue, denn es gilt Sicherheitsabstände einzuhalten und penibel mit dem Zollstock zu überprüfen. Die Hände sind schon ganz trocken vom Desinfizieren der Tische, aber zumindest im Außenbereich ist in der Leyergasse und der großen Mantelgasse wieder Leben eingekehrt. Die Restaurant- und Hotelgäste stammen nicht aus Denver, Kyoto und Auckland, sondern aus Erfurt, Düsseldorf und Würzburg, so fällt zumindest das händische Notieren der Kontaktdaten deutlich leichter.

Das Laub beginnt sich rot zu färben. Ausgelassene Sommernächte gehören nun der Vergangenheit an. Zum Glück füllt sich nun doch auch die Ritterhalle und man hört authentisches „Heidelbergerisch“ durch den Gastraum klingen. Scheint, als haben wir uns über den Sommer in die Herzen unserer Heidelberger Gäste gekocht. Ende Oktober, der Schocker: ab 1. November gilt ein harter Lockdown – volle Fahrt zurück, alles wieder dicht! Was soll nun bloß aus den Sankt-Martins-Gänsen werden, die im Kühlhaus darauf warten zubereitet zu werden? In dem Glauben, dass wir zum Weihnachtsgeschäft wieder öffnen dürfen, entscheiden wir uns den „1. Heidelberger Gänseservice“ ins Leben zu rufen. Ein großes Ganspaket wird geschnürt. Es besteht aus einer ganzen, ofenfrischen Gans, einer großen Beilagen-Variation und einer Probierflasche unseres hausgebrauten Biers. Die Aktion wird ein großer Erfolg und bis Ende des Monats sind unsere Bestände restlos aufgebraucht. Das Team hält zusammen und ist zurecht stolz darauf die Krise mit Bravur zu meistern.

Der Dezember bricht an und es wird klar, diesen Lockdown werden wir so schnell nicht los. Reservierungen müssen schweren Herzens storniert werden. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen. Als wohl einziger Betrieb in Deutschland, bestellen wir also nochmal Gänse und wappnen uns für die Wochen bis Weihnachten. Mittlerweile liefern wir an Stammgäste schon zum dritten oder vierten Mal und längst ist man beim freundschaftlichen „Du“ angekommen. Zwischen den Jahren ergänzen knuspriger Krustenbraten, feine Fondue-Pakete und hausgemachte Soßen das Lieferangebot. Silvester bleibt raketenfrei und nach kurzer Orientierungspause im Januar entscheiden wir uns dazu, den beliebten Lieferservice fortzuführen. Gänse gibt es nun keine mehr, dafür Edelfische im Salzmantel, knusprigen Entenbraten und deftige Delikatessen aus der Region.

Erst sieben Monate nach Beginn des „einmonatigen“ Lockdowns kommt endlich die ersehnte Wiedereröffnung. Mit verschärftem Hygienekonzept, FFP2-Masken und digitaler App-Unterstützung gelingt der Neustart. Antigen-Schnelltest gehören zum Standard, was uns dazu veranlasst das historische Wirtshaus zum Seppl in eine Teststation umzuwandeln. Auch die Liefermonate machen sich bezahlt. Heidelberger sind die ersten, die nun wieder in Scharen persönlich bei uns vorbeischauen. Die Impfkampagne startet durch und lässt uns positiv in die Zukunft blicken. Reisebeschränkungen entfallen und zum ersten Mal hört man wieder breites amerikanisches Englisch in unserem Biergarten. Cov-Pass-App und Luca erleichtern die Kontaktnachverfolgung und der Sommer erreicht ein fast vorpandemisches Niveau.

Mit Herbstbeginn wird leider klar, dass wir uns zu früh gefreut haben. Die Infektionszahlen schießen nach oben und das hat unvermeidlich auch Konsequenzen für die Gastronomie. Obwohl bisher keine einzige Infektion in unseren Restaurants stattgefunden hat und das RKI bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit sich beim Restaurantbesuch anzustecken um ein Vielfaches geringer ist als im Privathaushalt, kommen nun strengste Regeln. Ab Herbst sind wir gezwungen ungeimpften Gästen den Zutritt zu verweigern. Immerhin beginnt die Ganssaison 2021 wieder vielversprechend. Wer unsere Delikatesse lieber Zuhause genießen möchte, der kann das ab November wieder tun. Große Weihnachtsfeiern werden auch dieses Jahr abgesagt. Umso mehr freut es uns, dass kleinere Freundes- und Familiengruppen uns die Treue halten. Mit ausreichendem Impfschutz ist bei Einhaltung der Abstands- und Hygiene-Regeln auch wirklich wenig zu befürchten. Würden wir die Situation anders bewerten, hätten unsere Lokale sonst längst wieder geschlossen.

Eine große Silvesterparty wird es auch zu diesem Jahreswechsel nicht geben. Momentan geplant ist ein festliches Gala-Dinner ohne überschwänglichen Tanz, dafür mit jeder Menge feinen Gaumenfreuden und hervorragendem Wein. Bleibt die Hoffnung, dass wir die „Alarmstufe“ bald wieder hinter uns lassen können und optimistisch ins Jahr 2022 starten dürfen. Damit dieses Ziel Realität wird, müssen wir nun alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Also nutzt bitte unser Testangebot, lasst euren Schutz auffrischen und haltet euch an die Regeln. Besucht in sicherer Kleingruppe eure Lieblingsrestaurants, geht in Cafés und Bars und unterstützt inhabergeführte Liefer- und Abholangebote. Wir befinden auf der Zielgeraden und wollen die Sache endlich zu einem guten Abschluss bringen.

Eure Familie Merz.

Heidelberger Kulturbrauerei